Brainsmarte Kommunikation

Brainsmarte Kommunikation

21. Oktober 2020 von

Ich weiß leider nicht mehr wie genau ich auf das Buch von Annette Prehn Hirnzellen lieben Blinde Kuh* aufmerksam geworden bin. Fakt ist, ich hatte bei dem Titel etwas anderes erwartet als Brainsmarte Kommunikation. Etwa wie man Kinder spielerisch besser fördern kann, dass sich ihre geistigen Fähigkeiten optimal entwickeln können. 

Damit lag ich zwar falsch, dennoch ist dieses Buch sehr wertvoll für mich und hat mir Hintergrundwissen darüber geliefert, warum Kinder manchmal einfach nicht “hören” (scheinbar) wollen. Es handelt von Brainsmarter Kommunikation. Das Buch ist meiner Ansicht nach absolut lesenswert. 

In einigen Punkten ähnelt die Brainsmarte Kommunikation der Gewaltfreien Kommunikation, der ich einen separaten Blogartikel gewidmet habe. Im folgenden Beitrag möchte ich euch die Kernpunkte der Brainsmarten Kommunikation kurz zusammenfassen.

Erkenntnisse der Neurowissenschaften

Es macht absolut Sinn die heutigen Erkenntnisse der Hirnforschung zu Rate zu ziehen, wenn wir verstehen wollen, warum unsere Kinder so handeln, wie sie es eben tun. 

Die Verbindungen in unserem Gehirn verändern sich ständig. Neue Gehirnzellen und Verbindungen werden geschaffen, ältere Verknüpfungen werden gefestigt oder gehen langsam verloren. Man kann beispielsweise auch mit 60 Jahren noch Fremdsprachen erlernen oder, auf der anderen Seite, in der Schule eine Sprache gut beherrschen und 20 Jahre später kaum noch etwas verstehen, wenn man nicht ständig damit in Berührung kommt. 

Verhaltensweisen festigen oder neue Wege einschlagen

So ist es auch mit Verhaltensweisen. Wenn man in bestimmten Situationen immer auf eine bestimmte Art und Weise reagiert, festigt sich dieses Verhaltensmuster. Es führt also dazu, dass wir in einer ähnlichen Situation auf dieselben Strategien zurückgreifen. Die Verbindungen im Gehirn werden gefestigt. 

Wenn ich zum Beispiel echt wütend bin, knalle ich gern Türen. Je doller desto besser. Mit dem Wissen, dass mit jedem Türknallen die Wahrscheinlichkeit steigt, dass ich das beim nächsten Mal wieder tue, habe ich mich seither zurückhalten können. Seitdem fliegen bei mir nur noch Autotüren. 🙂 

Durchbricht man eine eingeschlichene schlechte Angewohnheit und handelt bewusst anders, schließt zum Beispiel kurz die Augen oder trinkt einen Schluck Wasser, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass man in einer ähnlichen Situation beim nächsten Mal auch anders reagieren kann. Harte Arbeit, ganz klar, aber es wird immer leichter. 

Ich habe gelesen (unter anderem im Buch Erziehen ohne Schimpfen* von Nicola Schmidt), dass es eine gewisse Zeit braucht, bis neue Routinen zur Gewohnheit werden. Im genannten Buch wird der Leser dazu herausgefordert 21 Tage lang nicht zu Schimpfen, um diese Verhaltensweise abzulegen. Ich habe auch schon andere Zahlen gelesen: 24 Tage, 30 Tage, 66 Tage. Wahrscheinlich (das würde die Brainsmarte Kommunikation sagen) hängt die Dauer davon ab, wie tief die alte Verhaltensweise bereits im Gehirn verankert ist.

Amygdala Trigger

Die Amygdala ist der Teil unseres Gehirns, der für die Bewertung von Gefahrensituationen verantwortlich ist. Diese Situationen werden abspeichert und mit der jeweiligen Emotion (z.B. Angst), verknüpft. Wenn die Amygdala durch Bedrohungen in Alarmbereitschaft versetzt wird, schaltet sich unser Verstand quasi aus. Wir befinden uns in einem Zustand, auf den wir mit Flucht oder Kampf reagieren.

Jedes Mal, wenn wir uns darauf einlassen und gleich auf 180 sind, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit beim nächsten Mal wieder an die Decke zu gehen.

Folgende Punkte können dazu führen, dass unsere Amygdala in den roten Bereich rutscht:

  • Statusbedrohungen und Gesichtsverlust
  • Befehle und ungebetene Ratschläge
  • Zu große Aufgaben und Ziele 
  • Herablassende Mikrosignale → Sie werden unbewusst von uns gespiegelt und lösen negative Gefühle aus. Vor allem Kinder sind dafür sehr feinfühlig.
  • Ungerechtigkeit und soziale Ausgrenzung
  • (Gefühlte) Gefahren aus der Vergangenheit → Die Amygdala speichert alle emotionalen Erinnerungen.

Es ist wichtig für uns und auch für unsere Kinder andere Strategien zu erlernen, um mit diesen starken Gefühlen umzugehen. Kinder brauchen dabei unsere Unterstützung.

Es kann auch helfen sich seine Werte vor Augen zu führen, um herauszufinden, warum wir emotional reagieren. Nach diesen zu leben und sie zu kennen, kann uns in manchen Situationen beruhigen.

Auf das Ziel fokussieren

Wenn wir etwas bestimmtes erreichen wollen, hindern uns oft negative Gedanken und Negativsprache daran, das Ziel zu erreichen. Wir sollten uns auf das konzentrieren was wir wollen. Ein Beispiel: Wenn ich fokussiert arbeiten möchte, bringt mich der Gedanke “Bloß nicht ablenken lassen” nicht weiter. Besser ist sich in Gedanken zur Konzentration aufzufordern, also beispielsweise: “Konzentrier dich auf den Text”, denn so lenkt man den Fokus des Gehirns auf das Wesentliche.

Genauso lässt sich das bei Kindern anwenden. Unsere Tochter hat vor kurzem Fahrrad fahren gelernt. Ich riefihr zu sie soll “nach vorne schauen”, anstatt “nicht zur Seite schauen”. Genaue Anweisungen was getan werden soll, sind wichtig für Kinder. Oder anstatt “Du stehst auf meinem Fuß”, sage ich “Geh bitte von meinem Fuß runter, es tut mir weh, wenn du darauf stehst.”

Worte, die du weglassen solltest

Die vorigen Beispiele zeigen bereits, dass das Wort “nicht” oft unnütz ist. Bei Sätzen wie: “Nicht in den Mund stecken!” oder “Nicht hinfallen!” tun unsere Kinder unbewusst oft genau das Gegenteil. Warum ist das so? Das Gehirn kann abstrakte Wörter nicht gut verarbeiten. Deshalb werden “nicht”, “keine”, “lass das” oder “hör auf” schlichtweg überhört und der Fokus auf eben das gelenkt, was nicht gemacht werden soll.

Ein klassisches Beispiel ist: “Denk jetzt mal nicht an einen rosa Elefanten” und zack, kommt das Gehirn auf die Idee, genau das zu visualisieren.

Es ist interessant festzustellen, wie oft wir in unserem Alltag mit Negativsprache in Berührung kommen. Wenn wir bewusst darauf achten, sehen wir auch, wie oft wir diese selbst benutzen. Für einige Ausdrücke musste ich lang nach einem Positivwort suchen. Wahrscheinlich wiederum, weil Negativsprache einfach so oft in Gebrauch ist, dass wir darauf ständig wieder zugreifen.

Wenn Kinder beispielsweise Angst haben, wird oft erwidert: “Keine Angst.” “Es gibt keine Wölfe/ Hexen” o. Ä. Richtet man den Fokus durch beispielsweise “Du bist sicher.” oder “Ich bin da.” weg von den Angst-auslösenden Worten hin zu positiven, hilft das dem Kind deutlich mehr.

Auch die Kombination von Negativ- und Positivsprache kann sinnvoll sein. Unser Sohn experimentiert aktuell mit dem Wort “nicht”. Zum Beispiel: “Hauen, nicht” und schaut mich dabei erwartungsvoll an. Ich wiederhole dann: “Genau. Nicht hauen, lieber streicheln.”

An dieser Stelle finde ich auch den Hinweis praktisch, dass Kinder aufmerksamer sind, wenn sie sprachlich überrascht werden. Beispielsweise nicht immer nur “Finger weg” sagen, sondern variieren. 

Im Buch von Annette Prehn wird auch von einer Negativ-Taktik gesprochen, um das Gesagte unterbewusst doch auszulösen. “Du musst nicht schlafen/ essen/ anziehen… .” Das ist einen Test wert.

Kopplung von Situationen mit Gefühlen

Die Brainsmarte Kommunikation sagt, dass die Verbindung zwischen zwei Neuronen gestärkt wird, wenn diese gleichzeitig aktiviert sind.

Ein Beispiel: Immer wenn ich in die Situation komme mit jemandem englisch zu sprechen, überkommt mich das Gefühl alles falsch zu machen. Das kommt aus meiner Zeit im Studium in der ich im Wahlfach in einen Anglistik-Kurs gerutscht bin, in denen nur Anglistik-Studenten aus deutlich höheren Semestern als ich saßen. Dort habe ich im Vergleich entsprechend schlecht abgeschnitten. Diese Situation und das Gefühl hat sich mein Gehirn gemerkt. Deshalb überkommt mich dieses auch heute noch. Leider bin ich sehr selten in der Situation englisch sprechen zu müssen, sodass sich eine bessere Erfahrung, noch nicht verfestigen konnte. Solche Kopplungen können durch Positiverfahrungen gelöst werden.

Visualisierung

Visualisierung meint, dass man sich bestimmte Situationen vorstellt. Forscher haben herausgefunden, dass die bloße Visualisierung von beispielsweise körperlichen Trainings tatsächlich den Muskelaufbau beeinflussen kann, sofern man die vorgestellte Übung schon einmal zuvor ausgeführt hat. Das Gehirn unterscheidet demnach nicht zwischen Vorstellung und Tun.

Dieses Wissen kann uns beim Fördern unserer Kinder nützlich sein, denn auch Erfolge lassen sich visualisieren. 

Ein Beispiel: Unsere Tochter hat es zunächst nicht geschafft einen Ball zu dribbeln und war frustriert. Ich erinnerte sie daran, dass sie genauso frustriert  war, als sie es noch nicht schaffte ihre Jacke alleine zu schließen. Sie hat das Reißverschluss Einfädeln weiter versucht, schließlich geschafft und sich sehr gefreut. Durch diesen kleinen Rückblick erinnerte sie sich an das Erfolgserlebnis und ihr Gefühl dabei. Das gab ihr die Motivation buchstäblich “am Ball” zu bleiben. Heute dribbelt sie stolz 5 mal nacheinander. Situationen zu vergleichen oder Ausblicke zu geben, kann uns und unseren Kindern helfen mit Situationen anders umzugehen.

Reframing

Bei der Brainsmarten Kommunikation wird eine weitere Technik empfohlen. Reframing bedeutet soviel wie Umdeutung oder Neuinterpretation.

Wenn wir in Situationen, die Frust auslösen, die positiven Aspekte ausfindig machen, merkt sich unser Gehirn das.

Mit dem Gedanken, dass mein Sohn gerade lernt autonom über seinen Körper zu bestimmen und darauf zu achten, dass eine Grenzen gewahrt bleiben, kann ich ein mir entgegen geschmettertes “Nein! Mama, geh weg!” beim Versuch seine Windel zu wechseln viel besser ertragen, als wenn ich mich darauf konzentriere, dass dieses Kind sich mir einfach widersetzt. Refraiming hat unmittelbaren Einfluss darauf, wie wir uns Verhalten, was wir denken und letztendlich die Gefühle, die in uns dadurch ausgelöst werden. Auch hier gilt: Je öfter man die Technik übt, desto leichter lässt sie sich anwenden.

Stereotypen vermeiden

Häufig erlebe ich, wie vor allem Kindern Stempel aufgedrückt werden. “Du bist aber lieb/ hilfsbereit /schlau …” Doch weder ein “Du bist faul.”, noch ein gut gemeintes “Du bist fleißig.” sind besonders förderlich.

Die Überzeugung, wie ich bin, verfestigt sich im Gehirn und kann dazu führen, dass unsere Kinder sich auf der einen Seite mit negativ behafteten Eigenschaften abfinden und diese zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden “Ich bin eben faul, deshalb mache ich meine Hausaufgaben nicht.” oder ein Erwartungsdruck entsteht, dem die Kinder nicht immer gerecht werden können “Ich bin hilfsbereit, also muss ich das wohl machen.”

Wir sollten uns darüber im Klaren sein und anerkennen, dass Zustände veränderlich sind und diese Erkenntnis auch an unsere Kinder vermitteln. 

Das kann man mit Aussagen oder Fragen wie: “Was ist denn heute deine Lieblingsfarbe?”, “Wir waren heute sehr fleißig.” oder “Mathe magst du gerade wohl nicht so gerne.” unterstützen. Das kann sehr motivierend wirken.

Die Erkenntnisse, die ich über Brainsmarte Kommunikation gewonnen habe, helfen mir in Situationen, in denen ich sehr wahrscheinlich überreagiert hätte, ruhiger zu bleiben und meine Kinder nicht für ihr Verhalten zu verurteilen. Das sorgt für mehr Verbindung in unserer Familie und dafür bin ich wirklich dankbar. 

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